Neujahrsansprache des MvSt, Dr. Walter Staaden:
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Gäste, liebe Schwestern und Brüder,
auch der
amtierende Meister vom Stuhl freut sich über den zahlreichen Besuch
unseres Neujahrsempfanges und begrüßt sie, liebe Gäste, begrüßt euch,
liebe Schwestern und Brüder sehr herzlich. Ich denke Sie sind mir nicht
zu böse wenn ich meine besondere Freude darüber ausdrücke, dass unser
Ehrwürdigster Großmeister, Br. Stephan Roth-Kleyer heute zum ersten Mal
bei uns in Wetzlar ist. Ehrwürdigster Meister, dir und deiner Frau ein
herzliches Willkommen.
Es ist ein ganz
besonderer Neujahrsempfang, in einem besonderen Jahr. Unsere Loge
feiert in diesem Jahr das seltene Fest des 250-jährigen Bestehens. Somit
sind wir der älteste Verein dieser schönen, traditionsreichen Stadt.
Und vor 300 Jahren, am 24. Juni 1717 schlossen sich in London 4 Logen
zur ersten Großloge zusammen. Der Beginn der modernen, spekulativen
Freimaurerei. Auch das gilt es zu feiern. Nicht zu vergessen, das
Lutherjahr, mit den Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation
Es ist richtig und schön, bei solch besonderen Jubiläen, auf die
Vergangenheit zurück zu schauen. Auf bedeutende Freimaurer zu verweisen,
die unsere westliche Welt geprägt, unsere Kultur befördert haben. Namen
wie Lessing, Mozart, natürlich Goethe, Freiherr vom Stein hier in WZ,
und aus der jüngeren Geschichte, Gustav Stresemann, Carl von Ossietzky,
Karlheinz Böhm oder Holger Börner, lassen uns mit Stolz zurückblicken.
Alle Männer des Wortes und der Tat. Zurück zu blicken, sich seiner
Wurzeln zu versichern, zu schauen, wo man herkommt und welche Strecke
zurückgelegt wurde, ist wichtig. Tradition kann eine Kraftquelle sein.
Diesem Aspekt des Jubiläumsjahres wollen wir vor allem durch eine
besondere Ausstellung, nachkommen. Die Geschichte der Freimaurerei,
insbesondere derjenigen in Wetzlar, werden wir in einer Ausstellung hier
im Industriemuseum, vom 20. Mai an sehen können. Von dieser Stelle aus
ein herzliches Dankeschön an den Magistrat der Stadt WZ, an sie, Herr OB
Wagner für die Unterstützung und ganz besonders an Sie, Frau Dr.
Eichler, für Organisation, Ideen und Engagement. Ich glaube, ich darf
uns allen einen ganz besonderen kulturellen Leckerbissen versprechen.
Denn im Rahmen der Ausstellung, konnten hochkarätige Referenten gewonnen
werden, die unserem Jubiläum und dem kulturellen Leben der Stadt,
zusätzlichen Glanz verleihen.
In ihren Vorträgen wird der geschichtliche Aspekt eine besondere
Wertschätzung erfahren. Auch mit der musikalischen Gestaltung des
heutigen Tages, tun wir der Tradition genüge. Die Lieder aus der
Zauberflöte erinnern uns an die edelsten, in Töne gekleideten Ideen der
Freimaurerei. Danke an unsere Künstler des heutigen Tages. Willkommen
bei uns in Wetzlar
Es scheint mir
aber angebracht, nicht nur Rückschau zu halten, sondern auch in die
Gegenwart und nach vorne zu schauen. Der Frage, wo kommen wir her,
sollten wir die Frage, wo stehen wir heute und wo wollen wir in der
Zukunft hin, folgen lassen. Es kann nicht sein, dass die heutige
Generation der Freimaurer, sich auf Lorbeeren und Namen der
Vergangenheit ausruht. Es muss auch darum gehen, in durchaus schwierigen
Zeiten, die Zukunft mit zu gestalten. Dieses Mitgestalten von Gegenwart
und Zukunft, ergibt sich zwingend für mich, wenn wir für uns in
Anspruch nehmen, an einer besseren Welt zu bauen. Und, es ist auch im
Sinne der Tradition. Denn Tradition ist nichts Rückwärtsgewandtes.
Wörtlich übersetzt bedeutet tradere, übergeben, überliefern. Also
dranbleiben und weitermachen. Sich den Herausforderungen der Gegenwart
stellen. In dem Geist der uns Vorangegangenen. Auch das ist
Traditionspflege. Denn Menschenliebe, Toleranz und Brüderlichkeit sind
zeitlos.
Wenn Tradition
nicht das Aufbewahren der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers ist –
Zitat Thomas Morus – halte ich es fast schon für eine Pflicht, die
Stimme zu erheben, sich zu zeigen und unsere Ideale und Überzeugungen in
die gesellschaftlichen Debatten mit einzubringen. In Anlehnung an das
o.g. Zitat: Dann müssen wir Freimaurer diese Debatten mit befeuern.
Dazu sind wir in der Lage, weil wir dieser Gesellschaft etwas zu bieten
haben. Wir schauen dankbar auf eine lange Periode von Wohlstand und
Frieden in Europa zurück. Das war nicht immer so. Es ist auch nicht
garantiert, dass es so bleibt. Manche Errungenschaft ist in Gefahr.
Vieles ist in Bewegung, manches muss losgelassen werden. Loslassen macht
meistens Angst. Menschen suchen Orientierung. In einer
Zeit, solcher Umwälzungen dürfen wir Freimaurer nicht im Elfenbeinturm
anspruchsvoller Diskussionen, verharren. Nein, dann gehören hinaus und
mitten hinein in die Gesellschaft.
Ich kenne die Bedenken. Wir
Freimaurer sind doch ein Bund von Individualisten. Jeder hat an sich
selbst, seiner Unvollkommenheit, zu arbeiten. Erkenne dich Selbst –
darum geht es. Ja richtig, wir müssen primär an uns arbeiten. Wir wollen
Baumeister eines besseren Ichs sein.
Aber Arbeit an uns kann und darf kein
Selbstzweck werden. Sonst geraten wir in Gefahr, selbstverliebt, nur auf
uns zu schauen. Der Bau eines besseren Ichs kann doch nur ein Stein im
Gesamtbauwerk einer besseren Welt sein. Für die Arbeit an uns haben wir
unsere Rituale. Sie sind Kraftspender, verbinden uns mit der
Transzendenz, aber nur, um uns am Ende wieder in die Realität dieser
Welt zurück zu führen. Und in dieser Welt müssen wir uns bewähren.
Getreu unseres Auftrags:
‚Wehret dem Unrecht wo es sich zeigt und kehrt niemals der Not den Rücken‘
Wenn ich den Wunsch äußere, dass wir Freimaurer, einzeln, aber auch als
Bund, uns mehr einmischen, mehr öffnen, so stehe ich damit nicht
alleine. Es war schon vor über 200 Jahren Friedrich Ludwig Schröder, der
kurz und treffend formulierte: ‚Das Wesen der Freimaurerei ist nicht
auf Verbergen, sondern auf Bewirken ausgerichtet‘
Und genau in diesem Sinne hat sich auch unser Ehrwürdigster Großmeister
Stephan Roth-Kleyer wiederholt geäußert. Zum Beispiel mit seiner
Forderung:
‚Freimaurerei muss sichtbar werden – weg von den Mythen und Geheimnis‘
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.
Was aber haben
wir zu bieten, um das, was Friedrich L. Schröder und unser Ehrwürdigster
Großmeister gesagt haben, in praktisches Arbeiten umzusetzen. In den drängenden Fragen unserer Gesellschaft mit zu reden und positive Entwicklungen anzustoßen? In meinem Vortrag möchte ich einige Punkte aufgreifen und unter dem Aspekt der Gegenwartstauglichkeit beleuchten.
Menschenliebe,
Toleranz und Brüderlichkeit so beschreiben wir unsere Vorstellung davon,
wie Menschen miteinander umgehen sollten, um unser Ideal, eine humanere
Welt zu schaffen, zu verwirklichen.
Menschenliebe
basiert für mich auf der Achtung und dem Respekt vor der Menschenwürde.
Die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten, ist die unabdingbare
Voraussetzung, um ihm, mit Liebe zu begegnen. Eine
Selbstverständlichkeit wird mancher vielleicht sagen. Aber wir sehen
auch die Realität. Die Würde des Menschen ist unantastbar: So steht es
im Grundgesetz. Und sie ist unteilbar. Sie gilt absolut, ohne
Einschränkung. Der große Aufklärer aus Königsberg, Immanuel Kant, hat
die Menschenwürde mit der moralischen Natur des Menschen begründet. Eine
allen Menschen innewohnende Qualität. Würde und Wert haben den gleichen
Wortstamm. Menschenwürde und die daraus resultierende Menschenliebe,
sind Werte, die wir nicht nach politischen, gesellschaftlichen oder
religiösen Kriterien relativieren dürfen.
Wer, wenn nicht wir Freimaurer, ist mehr dazu berufen, festzustellen:
Es gibt kein christliches, muslimisches, jüdisches oder buddhistisches
Leid. Es gibt nur menschliches Leid. Das ist sozusagen unser
Kerngeschäft! In diesem Kontext finde ich es wunderbar, dass wir in
unserem Jubiläumsjahr mehrmals das Lehrstück ‚ Ernst und Falk‘ von
Lessing aufführen werden. Inszeniert und dargeboten von eigenen Brüdern.
Ein Stück, exemplarisch für unsere Ideale.
Von der Menschenliebe und Menschenwürde ausgehend, komme ich zur Toleranz.
Sie ist eine wichtige Tugend, ein wichtiger Wert einer freien
Gesellschaft. Es ist das Wesen der Toleranz, dass sie Werte und
Verhaltensweisen akzeptiert, die primär abgelehnt werden. Denn das,
womit ich übereinstimme, muss ich ja nicht tolerieren. So steht am
Anfang immer die Ablehnung, die in Akzeptanz und Duldung ihren edlen
Ausdruck findet. Wir sind überzeugt, dass religiöse oder ethische
Glaubensgrundsätze, nicht mit der Vernunft verifizierbar, oder
falsifizierbar sind. Sie sind zu dulden, solange sie nicht die Würde und
die Freiheit anderer Menschen beeinträchtigen. Hier ist ein wacher und
auch ein streitbarer Geist notwendig, um tolerantes Miteinander auf der
Basis von Menschenwürde und Menschenliebe einzufordern. Gleichzeitig
aber auch dort Grenzen zu ziehen, wo durch Intoleranz genau diese Würde
verletzt wird. Denn, wenn wir versuchen Intoleranz mit Toleranz zu
begegnen, werden wir beliebig. Und enden als eine schwache, ängstliche,
prinzipienlose Gesellschaft. Diese o.a. Grenze mit zu erarbeiten, mit in
das Alltagsleben zu integrieren, wer könnte dazu besser berufen sein,
als eine dem Humanismus verpflichtete Bruderschaft, mit ihrer
300-jährigen Tradition?
Lassen Sie mich einen zweiten Komplex ansprechen. Den von Rechten und Pflichten
Auf dem Boden von gemeinsamen Werten und Prinzipien, bestehende Gesetze achten und respektieren, ist die notwendige Basis
für ein gutes Zusammenleben, von Menschen verschiedenen Glaubens,
Interessen, verschiedener Rassen und Herkunft. Unsere Freimaurerische
Überzeugung hat Goethe so ausgedrückt:
‚Das Gesetz nur, kann uns Freiheit geben.
Freiheit setzt Achtung vor dem Gesetz voraus. Sonst gibt es keine Freiheit.
Unsere Gesetze basieren auf Überzeugungen, die unsere Vorfahren seit der
Aufklärung, teils auch noch früher, gegen teils erbitterte Widerstände
erkämpft und oft mit dem Blut der Menschen bezahlt haben. Wer das Glück
und das Recht hat, in einer Gesellschaft zu leben, die dem Wertekanon
von Menschenliebe, Menschenwürde und Toleranz verpflichtet ist, von dem
müssen wir aber auch Pflichten einfordern. Recht und Pflicht, auch das
ist eine Schnittstelle, wo ich mir wünsche, dass Freimaurer hör-und
sichtbar werden. Wir müssen diese Pflichten, dieses Respektieren unserer
Gesetze und Werte von allen Menschen, ohne wenn und aber einfordern.
Auch von denen, die zu uns kommen und mit uns leben wollen. Das beginnt
übrigens schon bei Selbstverständlichkeiten. Nämlich, dass wir erwarten
können, dass sie uns bei ihrer Einreise die Wahrheit über sich, ihren
Namen, ihr Alter, ihr Herkunftsland sagen. Was übrigens die allergrößte
Zahl dieser Menschen auch tut.
Freiheit durch das Gesetz zieht für mich zwingend auch Sanktionen nach
sich, dann, wenn bestehende Gesetze übertreten werden. Denn wenn
Fehlverhalten keine Konsequenzen hat, das weiß jeder der Kinder erzogen
hat, sind die aufgestellten Regeln wertlos. Kein sportlicher Wettkampf
könnte stattfinden, wenn Regelverstöße nicht sanktioniert würden.
Noch ein Aspekt
ist mir in diesem Zusammenhang wichtig. Wir müssen erwarten, dass
unsere kulturellen und sozialen Errungenschaften akzeptiert, respektiert
und gelebt werden. Egal ob es um die Gleichstellung der Frau, um
Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit oder die oft zähen demokratischen
Entscheidungswege geht. Das müssen wir entschlossen und selbstbewusst
tun. Andererseits müssen wir aber auch darauf hinwirken, dass nicht
Vorurteile und engstirnige Bewertungen, unser Handeln bestimmen.
Vorurteile machen uns zu Slaven unserer Gedanken. Auch das ist
freimaurerische Überzeugung
Der freie Mensch bildet sich sein Urteil selbst und
übernimmt nicht gedankenlos, was ihm erzählt wird. Mir gefällt in diesem
Zusammenhang gut, was ich kürzlich las:
Vorurteile sind Urteile, die nicht von einem Gericht gesprochen,
sondern, von einem Gerücht hervorgebracht werden. Dem Gerücht müssen wir
uns entgegenstellen. Liebe Gäste, liebe Schwestern und Brüder, es ist
also Einiges, was wir Freimaurer zum gesellschaftlichen Diskurs
beitragen können. Wichtige Werte und Tugenden können wir
in den Wettstreit der Ideen für die Zukunft unseres Landes, unseres
Kontinents einbringen. Wir dürfen uns trauen, damit hinaus in die Welt,
in die Gesellschaft zu gehen. Unsere Ideale, Werte und Ziele sind über
Jahrhunderte auf gutem Boden gewachsen. Wir müssen diesen Boden weiter
düngen.
Als Dünger möchte ich einen Begriff einführen. Den, der Aufrichtigkeit.
Aufrichtigkeit heißt für mich unter anderem auch, dass wir aufhören
müssen, den Menschen zu erzählen, was die einzige Wahrheit ist. Diese
gibt es nun mal nicht. Karl Jaspers hat dazu gesagt:
Keiner hat die Wahrheit, aber alle suchen sie
Mir gefällt besonders gut was Heinz von Förster einmal sagte:
Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners.
Sind wir also
aufrichtig und konsequent. Und lassen dann aber auch nicht mehr
durchgehen, wenn von ‚alternativlos‘ gesprochen wird. Es gibt immer
Alternativen. Ob sie besser oder schlechter sind, darum muss gerungen
werden. Und wer das negiert bekommt am Ende doch seine Alternativen.
Dann aber oft solche, die er ganz und gar nicht wollte.
Die Wahrheit
gibt es also nicht. Wohl aber gibt es etwas anderes. Das ist die
Wirklichkeit. Das, was wir vorfinden. Das was auf uns und unser Leben
Wirkung hat, ist genau das, was gestaltet werden will.
Zu den Stichworten ‚Aufrichtigkeit und Wirklichkeit‘ passt sehr gut, was unser Großredner, Bruder Hans-Hermann Höhmann
im letzten Jahr in einem Beitrag der Humanität ausgeführt hat. Er hat
auf das Begriffspaar Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, des
Soziologen Max Weber hingewiesen. Im Hinblick auf die vielen Menschen,
die in unser Land kommen, führte er aus, dass Gesinnungsethik,
Offenheit, Hilfsbereitschaft und Empathie ihnen gegenüber erfordert.
Die Verantwortungsethik aber muss uns gleichzeitig nach dem Machbaren,
Verkraftbaren und Vernünftigen fragen lassen. Auch auf dieser Ebene
können wir gut mitreden, uns gut mit einbringen.
Aufrichtigkeit, Achten der Menschenwürde, Toleranz, Respekt vor dem
Gesetz, Verzicht auf den Glauben an den Besitz der einzige Wahrheit,
stattdessen verantwortlicher Umgang mit der Wirklichkeit in unserer
Gesellschaft, sind unsere Ansatzpunkte, die gesellschaftlichen Debatten
mit zu führen.
Als Letztes möchte ich noch kurz einen Punkt ansprechen, den der
Gesprächskultur. Wenn wir miteinander ins Gespräch kommen wollen, in ein
Gespräch was in die Tiefe geht und lösungsorientiert ist, bedarf es
einer anderen Gesprächskultur, als derjenigen, welche wir Im Fernsehen
zunehmend registrieren. Einer Kultur, wie wir sie in unserer
Bruderschaft pflegen. Auch da können wir Beispiel sein. Ein Brüderliches
Gespräch unterscheidet sich fundamental von einer Talk-Show. Wenn wir
miteinander reden, um uns besser zu verstehen, um neue Ideen zu
entwickeln, dann braucht es eine Gesprächskultur, in der das Zuhören
genauso wichtig ist, wie die eigene Meinungsäußerung. In der die Meinung
des Gegenübers stehen bleiben darf. In der das eigene Argument mit UND beginnt, nicht mit ABER.
Eine Talk-Show ist eben eine Show. Auf Showeffekte aus. Sie kann nicht
zu Klärung Vertiefung und zu besserem Verständnis führen. Wahrscheinlich
ist es auch gar nicht das Ziel dieser Sendungen.
Im Kontext der Toleranz und freien Meinungsäußerung kennen Sie sicher das Zitat:
‚Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen ‘
Es wird meist Voltaire zugeschrieben, stammt aber wohl von
Evelyn Beatrice Hall aus ihrem Werk friends of Voltaire. Sei‘s drum.
Wir müssen gar nicht so hoch greifen. Es geht nicht um Leben und Tod.
Wohl aber um Zuhören, Abwägen, um das Stehenlassen der anderen Meinung,
um dann die eigene hinzufügen. Eine gute, eine respektvolle, eine
freimaurerische Tugend, wie wir sie immer wieder einüben.
Meine sehr
verehrten Gäste, liebe Schwestern und Brüder, es war mir heute wichtig,
anlässlich unseres Jubiläums nicht nur stolz auf das Vergangene zu
schauen. Auch das ist wichtig und wir tun es gerne. Aber Tradition
möchte ich persönlich auch unter dem Aspekt sehen, wie ihn Max Frisch in
seinem Roman Stiller so eindrucksvoll beschrieben hat. Ich zitiere:
Was heißt Tradition? Ich dächte, sich an die Aufgaben seiner Zeit
wagen, mit dem gleichen Mut, wie die Vorfahren ihn gegenüber ihrer Zeit
hatten. Alles andere ist nur Imitation.
Wagen wir uns
also an die Aufgaben unserer Zeit, so wie es Brüder in Wort und Tat sein
300 Jahren getan haben. Unsere Ideale, unsere Ziele sind es wert. Wir
haben nichts zu verbergen. Wir können einen Beitrag leisten, damit die
Welt etwas friedlicher, etwas menschlicher, etwas brüderlicher wird.
Klar wir sind in Deutschland eine kleine Gruppe geworden.
Haben uns nach dem Krieg nie mehr von Gewalt gegen unsere Bruderschaft
und Unterdrückung unserer Werte, erholt. Aber nicht Quantität, sondern
Qualität ist gefragt. Auch kleine Gruppen, mit großen Ideen, können
etwas bewirken. Getreu dem afrikanischen Sprichwort:
Wenn viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, dann können sie das Gesicht der Welt verändern.
Die meisten von euch kennen meine Liebe zu Nepal und auch zu den
östlichen Weisheiten. Ich erlaube mir deshalb, mit einem verschmitzten,
klugen Gedanken des Dalai Lama zu schließen. Er sagt zu dem Thema der
Größe:
Falls du glaubst, dass du zu klein bist, um etwas zu bewirken, dann
versuche einmal einzuschlafen, wenn eine Mücke im Zimmer ist.
Dieses Bild gefällt mir. Wir Freimaurer, die kleine Mücke ( wobei
ich klein als zahlenmäßig klein verstanden wissen will ), die
verhindert, dass unsere Kultur, unsere Werte und zivile
Errungenschaften, in einen Tiefschlaf fallen. Helfen wir mit, wach zu
bleiben, mutig das zu verteidigen was uns wichtig ist, und diese
Gesellschaft stark gemacht hat. Arbeiten wir daran mit, immer mehr
Menschen für diese Ideen zu begeistern.
Ich danke für Ihre, für Eure Aufmerksamkeit.
Dr. Walter Staaden
Meister vom Stuhl
Wilhelm zu den drei Helmen